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08.06. 2019

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julius deutschbauer + paul ropac

»fängt mäuse mit kaimatz und speck«


kandid


»binär codier

toni kleinlercher



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Toni Kleinlercher, kandid binär codiert, Foto © Otto Saxinger                       Julius Deutschbauer, fängt mäuse mit kaimatz und speck, Foto © Otto Saxinger 


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performance (deutschbauer/ropac) und literarische intervention des instituts für poetische alltagsverbesserung (lisa spalt),Foto © Otto Saxinger


Essay zur Ausstellung PRIVATE VIEWING 04 von Lisa Spalt

Wie einige wissen, betreibe ich seit einiger Zeit das Institut für poetische Alltagsverbesserung.

Ich beheize dieses mit einem Kraftstoff, den ich weniger aus Optimismus als vielmehr aus dem brüchigen Wunsch nach diesem destilliere.

Das IPA versucht zum Beispiel, Albträume, Gegenwarten und Zukünfte in Richtung auf das Unmögliche hin zu verbessern, und zwar ist ihm beim Verbessern die Vorsilbe am wichtigsten, es geht um etwas wie verkehren, verfahren, verreißen etc. – um ein glückliches Abirren vom Weg.

Wie Toni mir also mit Voltaires Candide gekommen ist, habe ich diese Abhandlung über die beste aller Welten in der Institutsbibliothek gleich im ersten Regal gefunden.

Ein ganz schön hirnrissig optimistisches System wird in diesem Buch ausgebreitet, eine Intelligentsia unter der Augenbinde wird vorgestellt, die lieber an der Syphilis erkrankt und vollends erblindet, als dass sie ihren Optimismus aufgibt, Wölfe in Bettlerlumpen und modischen Pelzmänteln: Voltaires Candide und seine Odyssee durch die beste aller Welten sind so ziemlich 21. Jahrhundert. Optimismus ist auch heute quer durch alle Gesellschaftsschichten verpönt. Die Welt scheint ziemlich infektiös, sie scheint sich wie ein Bakterienstamm durch den besten Willen, der sie nicht sehen will, zu fressen.

Das IPA aber fragt: Wie umgehen mit der Diagnose?

Wie Jean Pauls Gianozzo zuckeln schon lange immer wieder Rührmichnichtan-Künstler in selbst erdachten Gondeln am Himmel herum. Dort oben, wo man gerne glaubt, die plötzlich sehr kleine Welt in die Tasche stecken zu können, heulen sie, dass sie lieber sterben wollen, als mit den dummen Bürgerinnen auf dem Erdboden in Berührung zu kommen.

Aus diesem Gedanken möchte ich nur die Erde mitnehmen.

Seit einiger Zeit gibt es auch einen kollektiven Albtraum. Der spielt in einem Land namens Instagram, und da sind alle andauernd furchtbar individuelle, magische Künstler. Der wiedererstandene Beuys, der die Leute erschaffen hat, steht am Rand des Gebiets und faucht zum Gaudium aller wie ein Tiger, während ihm in unregelmäßigen Intervallen der Hut hochgeht, der ihn zu einem der Ihren macht. Alle dürfen jetzt ihre eigenen Ansichten in den Satztrümmerverhauen der mit Künstlerschal verzierten Redner, die nun alle sind, wiederfinden. Fast alle enthalten sich in diesem Land Instagram den Verabredungs-Anstrengungen der 3D-Welt, sitzen da ganz oben in lauter kleinen Apple-Gondeln, und das führt zu Größenwahn. Es herrscht eine Glorifizierung des Individuums, welche ausgerechnet die normierte Selbstdarstellung zum Volkssport erklärt. Dass man sich des Lebens enthält, führt dann nicht nur in Instagram zum Lebens- und Menschenüberdruss. Reinheit wird beschworen, Nichtberührung. Und aus lauter Kontaktlosigkeit frisst sich Marie-Antoinette wieder an Kuchen dick.

Bei Voltaire ist es am Ende des Buches das Bestellen des Gartens, das nach dem Scheitern der Systeme überbleibt. Und auch Jean-Paul bietet als Alternative zum wütenden Gondelkreuzen den Garten an.

Hier packe ich die Erde wieder aus, die ich vorher eingepackt habe.

Toni hat aus der Irrfahrt von Candide, dem odysseeförmigen Kollidieren von System und Welt, ein Gelände kreiert, er hat die Geschichte in einen Code gefaltet und so mit seinem Rechen binäre Ackerfurchen gezogen.

Als Vertreterin des IPA hoffe ich nun, dass dieser Code eine humose Zwischenstufe ist, ein Über-setzen, und damit meine ich etwas, das mit Einrichtungen von Fähren und mit dem beweglicheren Verbinden zu tun hat. Und ich nehme – über-setzend – einmal an, dass das Gärtnern, auf das Toni hindeutet, auch mit der Poesie, dem Herstellen von Welt, dem Einrichten des Terrestrischen, zu tun hat, denn das Wort Vers stammt bekanntlich vom lateinischen Versus, das unter anderem Ackerfurche bedeutet. In diesem Übersetzen ist also Land in Sicht, für mich ein Eutopia, ein guter, verbesserbarer gemeinsamer Ort: in den Gemeinsamkeiten von Poesie und Acker, im Wuchern- und Transformierenlassen.


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performance (deutschbauer/ropac) und literarische intervention des instituts für poetische alltagsverbesserung (
lisa spalt),
Foto © Otto Saxinger


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Julius Deutschbauer, fängt mäuse mit kaimatz und speck, Foto © Otto Saxinger      Toni Kleinlercher, kandid binär codiert, Foto © Otto Saxinger                      


atelier kleinlercher/kosai

gebrüder langgasse 14

1150 wien

 

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